Die Betroffenen erlebten Maria Nowak-Vogl als ungerührten und kalten, ebenso lieb- und gefühllosen wie angsteinflößenden Menschen, der sie verachtete und verächtlich machte, einmal kühl strafend, dann wieder hysterisch schreiend, bisweilen als Zuchtmeisterin, die auch vor körperlicher Gewalt nicht zurückschreckte.
„Und damit hast du sozusagen dein Leben abgegeben, du hast nicht mal Unterwäsche behalten dürfen: Die Kinder wurden auf einen Objektstatus reduziert, ihrer Habseligkeiten beraubt, erhielten Anstaltskleidung und kratzige Unterhosen. Sie fühlten sich wie in einer Strafanstalt, abgeschnitten von der Außenwelt in Räumen mit vergitterten Fenstern und Türen. Isoliert wie Seuchenkranke, von Lautsprechern und Videoanlagen überwacht.
Wir durften dort nichts reden, gar nichts, nie hat jemand mit mir dort geredet, warum? Warum hat nie jemand mit mir geredet? Ständig wurde etwas mit den Kindern und Jugendlichen gemacht, das sie nicht erklärt bekamen und nicht verstanden. Ihre Bedürfnisse und Empfindungen spielten keine Rolle. Verlangt waren Gehorsam und Unterwerfung. Die Betroffenen fühlten sich als Forschungsobjekte und defizitäre Mangelwesen behandelt. Lob und Ermutigung, Trost und Zärtlichkeit, Akzeptanz und Angenommen werden fehlten schmerzlich. Die Kinderbeobachtungsstation bildete ein System der Beziehungslosigkeit, in der Gefühle kriminalisiert wurden.
Sie war „eine mächtige Persönlichkeit für uns Kinder, verbarrikadiert in ihrem Büro. Eine Aura von absoluter Kälte und Verachtung“ umgab sie. Erniedrigung, Beschämung und psychische Misshandlung erlebten die Kinder und Jugendlichen in einem Klima der Bedrohung tagein, tagaus. Besonders, wenn sie einnässten – oder als Vorführobjekt in Lehrveranstaltungen von Nowak-Vogl missbraucht wurden, sowohl angezogen als auch nackt.
Eine Erzieherin: Die Kinder waren leicht zu händeln, weil viele von ihnen sediert waren. Die Betroffenen erinnern sich in hohem Maß an die Verabreichung von Spritzen und Tabletten – ohne therapiebegleitende Maßnahmen, ohne Erläuterung und gegen ihren Willen.
Medikamente wurden auch als Disziplinierungsmittel eingesetzt oder aufgrund einer unzulässigen Indikation. Besonders unter jenen Betroffenen, die sexueller Gewalt ausgesetzt waren, ist die Empörung groß, dass Maria Nowak-Vogl ihnen die Schuld zuschob, sie als „hypersexuelle“ Wesen brandmarkte und zur Strafe in ein Erziehungsheim überstellte.
„Jeder Tag war eine Marterung. Du bist mit Angst schlafen gegangen und mit Angst aufgewacht. Viele Interviewpersonen erlebten ihren Aufenthalt trotz der kurzen Verweildauer auf der Kinderbeobachtungsstation als tief traumatisches Erlebnis.
„Bin sehr, fast täglich, Stunden mit meinen Gedanken in der Zeit, meine Erinnerungen daran sind voller Angst, Hilflosigkeit, weißer Kittel, mir fehlen Gesichter dazu, aber meine Gefühle an alles sind heftig. Dort wurden Menschen gebrochen, die halt nicht so einfach waren, das war wie eine Vergewaltigung.“ Das Gefühl von Entwurzelung, Einsamkeit und Ohnmacht, in tiefer Verlassenheit jeden Tag und jede Nacht aufs Neue allem und jedem hilflos ausgeliefert zu sein, war für die Kinder und Jugendlichen ein Dauerzustand. Die Kinder lebten in ständiger Angst. Jeden Augenblick konnte ihnen etwas passieren, selbst wenn sie gehorsam waren und sich anpassten. Dies sind Merkmale terroristischer Gewalt.
Die Erzählungen offenbaren, dass sich psychische, physische, sexualisierte und strukturelle Gewalt in den alltäglichen Abläufen der Station vollzog. In Nowak-Vogl erkennen die Geschädigten jene Person, die ihr weiteres Leben nachhaltig zum Schlechten beeinflusst hat.
Über viele Jahrzehnte hatten die leidvollen Erfahrungen ehemaliger Heimkinder und PatientInnen der Kinderbeobachtungsstation keine Bedeutung in der Welt. Indem wir die Erfahrungen der Betroffenen ernst nehmen und ihnen eine Öffentlichkeit geben, unternehmen wir den Versuch, diesen Menschen jene Würdigung zukommen zu lassen, die ihnen so lange verwehrt wurde und Teil einer heute noch möglichen „Wiedergutmachung“ sein kann.